Gerade aufgestanden, aber der Rechner kann während dem Zähneputzen ja schon mal hochfahren. Mittagspause? Ach, wer braucht denn sowas? Ein Sandwich nebenbei essen und parallel die Mails checken ist doch kein Problem. So langsam wird auch das Licht eingeschaltet, ist ja plötzlich schon dunkel. Und ehe man sich versieht, zeigt die Uhr schon fast die Schlafenszeit. Homeoffice klingt nach Zeitersparnis. Allerdings: viele arbeiten sogar unbewusst länger als im Büro. Die zeitliche Belastung kann dadurch mit der Zeit zum unbewussten Stressfaktor werden.
Erwiesenermaßen längere Arbeitszeiten
Durch den Corona-Lockdown zu Beginn des Jahres verlagerten laut einer Studie des ifo-Instituts 60 Prozent der deutschen Unternehmen ihren Betrieb ins Homeoffice. Bis dato hatten entsprechende Anfragen oft auf Seiten des Arbeitgebers einen bitteren Beigeschmack. Das gängige Vorurteil: Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, faulenzen oder halten sich nicht an die regulären Arbeitszeiten. In Folge arbeiteten lediglich 39 Prozent der Befragten regelmäßig von daheim aus.
Nun ist allerdings erforscht: Angestellte arbeiten erwiesenermaßen länger, wenn sie sich im Homeoffice befinden. Ein prägnanter Grund sei laut Studie der Harvard Business School eine erhöhte Anzahl an Meetings. So absolvierten Mitarbeiter in den Monaten seit April rund 13 Prozent mehr Telefon- und Zoom-Konferenzen. Die Gesamtzeit der jeweiligen Meetings war allerdings kürzer. Sie sank um durchschnittlich 20 Minuten. Schnell noch ein Meeting dazwischenschieben oder noch kurz zum Hörer zu greifen ist jedoch deutlich verlockender und häuft sich, fallen etwa Anfahrtszeiten weg. Dadurch geht schnell der Überblick verloren und die Summe der digitalen Absprachen wächst.
Zudem ermittelte die Studie, mit mehr als drei Millionen Homeoffice-Arbeitnehmern aus Nordamerika, Europa und dem Nahen Osten, dass Mitarbeiter nur schwer loslassen können. So nutzten Sie die übliche Anfahrtszeit bereits für die Arbeit vor dem PC und kommunizierten noch weit nach Dienstschluss. Nach vier Wochen pendelte sich die Arbeitszeit zwar etwas ein, im Durchschnitt arbeiten Mitarbeiter im Homeoffice aber noch immer rund 50 Minuten länger als im Büro.
Zuhause fühlt sich nicht jeder wohl
Nun hat das Arbeiten von Zuhause aus allerdings keinesfalls nur Vorteile. So stelle die Harvard–Studie fest, dass die Konzentration im Homeoffice vor allem in Meetings schneller nachlässt. Während sich Singles besser konzentrieren können als beispielsweise im Großraumbüro, hatten es gerade Eltern in Zeiten von Schulschließungen daheim deutlich schwerer. Quasi ein Großraumbüro mit Kollegen im Grundschulalter. Während Eltern also schon oft durch die Doppelbelastung im Homeoffice gestresst waren, hatten Singles oft mit isolationsbedingten Depressionen zu kämpfen. Im Gesamtbild wird allerdings klar: Homeoffice ist gewünscht. Nur nicht dauerhaft. Laut einer Umfrage unter Erwerbstätigen wären zwei Tage die Woche im Homeoffice ideal.
Abschalten und feste Zeiten einhalten
Nun verleitet allerdings die ständige Präsenz von Arbeitsgeräten im eigenen Wohnzimmer dazu, doch noch schnell einen Blick ins digitale Postfach zu werfen oder den Bericht noch nach dem Abendessen fertig zu schreiben. Laut Zeitmanagement Expertin Cordula Nussbaum ist das allerdings für die Wenigsten ein sinnvolles Zeitmanagement. Während es manchen Mitarbeitern möglich ist, Freizeit und Arbeitsalltag homogen zu verschmelzen, führen bei den meisten unkontrollierte Überstunden zu Stress. Um diesen zu vermeiden empfiehlt sie, sich selbst nicht zu viel aufzuladen. Eine klassische To-Do-Liste sollte ebenfalls vermieden werden. Stattdessen: Eine Sammlung an offenen Aufgaben. Wer sich einen visuellen Überblick verschafft hat den Kopf frei um produktiv zu arbeiten. Außerdem sieht sie besonders Vorgesetzte in der Verantwortung. Diese müssen ihren Mitarbeitern klare Arbeitszeiten vorgeben und mit gutem Beispiel vorangehen. Das heißt beispielsweise:
- nicht außerhalb der Arbeitszeiten E-Mail schreiben oder beantworten
- nur Meetings ansetzen, die auch tatsächlich produktiv und notwendig sind
- keine Meetings in Pausenzeiten legen
Zudem: Immer den Überblick über den eigenen Terminplan behalten. Assistenten oder Sekretärinnen berücksichtigen oft nicht nötige Pausenzeiten. Diese sind aber entscheidend, um den Tag zu strukturieren und auch zwischendurch mal den Kopf frei zu bekommen. Außerdem können Vorgesetzte oder Mitarbeiter diese für körperliche oder geistige Entspannung zur Stressreduktion nutzen. Für diejenigen, die eine geeignete Arbeitsstruktur noch nicht gefunden haben, empfiehlt sie den Test zum eigenen Zeitmanagementtypen. Denn auch ein dauerhaftes Verbiegen führt auf lange Sicht zu ungesundem Stress.
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