Das Sprechen vor Publikum gehört heute in vielen Berufsfeldern zum Alltag dazu. Euer Vorteil: Auf Eurem Gebiet seid Ihr Experten. Aber wie könnt Ihr Zuhörer mit Euren komplexen Inhalten für Euch gewinnen? Wie verschafft Ihr Euch Gehör? Egal, ob auf einer Fachmesse, beim Kundengespräch oder einer Infoveranstaltung? Das erklärt der Kommunikationsexperte Sebastian Pflügler im Interview.
Redaktion: Oft sind die ersten Sekunden eines Vortrags entscheidend, um das Publikum für mich zu gewinnen – was kann ich tun, um meine Zuhörer direkt vom Start zu „catchen“?
Sebastian Pflügler: Innerhalb der ersten drei Sekunden verschaffen wir uns den ersten Eindruck der Situation. Der Nucleus Accumbens, ein neuronaler Bestandteil des Belohnungszentrums im Gehirn, entscheidet relativ schnell: Bringt mir dieser Vortrag hier etwas oder checke ich lieber meinen Instagram-Feed oder mache etwas anderes Spannendes? Statt also mit einer langweiligen Selbstvorstellung oder einem Willkommensgruß an alle zu beginnen, solltet Ihr das Publikum gleich emotional catchen. Ihr könnt hingegen die relevanteste Zahl vom Quartalsbericht groß auf das Flipchart schreiben oder diese übergroß auf einer Folie einblenden. Die Zuschauer fragen sich, was es damit auf sich hat und bleiben am Ball. Alternativ könnt Ihr auch mit einer Provokation, einem emotionalen Berührungspunkt oder einer passenden Geschichte aus Eurem Lebensumfeld beginnen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, Hauptsache spannend.
„Wenn Du über Kaffee sprechen willst, musst Du auch die Teetrinker abholen.“
Ein zweiter wichtiger Punkt ganz zu Anfang ist der „Nutzen“. Der Zuschauer fragt sich: Wie kann ich von dem Vortrag profitieren? Das gehört ganz klar und sauber kommuniziert. Wenn Ihr über Kaffee sprechen wollt, müsst Ihr auch denjenigen einen Mehrwert zu bieten, die nur Tee trinken. Überlegt Euch, was hat das Publikum davon? Was kann der einzelne mit dem neuen Wissen erreichen?
Redaktion: Welche Form der Vorbereitung ist sinnvoll? Brauche ich Karteikarten? Sollte ich alles auswendig lernen? Oder doch einfach spontan loslegen?
Sebastian Pflügler: Wenn Ihr Material recherchiert und Eure Daten beisammen habt, solltet Ihr drei bis fünf Kernbotschaften herausarbeiten. Mehr kann das menschliche Gehirn im Rahmen eines Vortrages selten aufnehmen. Bereitet Moderationskarten vor, die Ihr in drei Spalten gliedert. Die erste enthält das Oberthema – die Kernbotschaft. In der zweiten Spalte haltet Ihr die Zahlen, Daten und Fakten fest, die Eure These stützen. Die dritte Spalte befüllt Ihr mit Regieanweisungen, wie zum Beispiel einer Frage an das Publikum oder einem Wechsel von der PowerPoint-Präsentation zum Flipchart. Oder Ihr mal einen Smiley in die dritte Spalte, um Euch zu erinnern, dass Vortragen auch Spaß machen darf.
„Eine gute aufgeschriebene Rede, ist meistens eine schreckliche gesprochene Rede.“
Arbeitet ausschließlich mit Bullet Points. Wenn Ihr mit Stichpunkten übt, formuliert Ihr die Botschaft beim Proben automatisch jedes Mal etwas anders. Damit geht die Wahrscheinlichkeit von Blackouts zurück, Ihr klammert Euch nicht an ganze Sätze, sondern bleibt flexibel in der Wortwahl.
Redaktion: Was kann ich als auflockernde Elemente mit einstreuen, sodass mein Gegenüber am Ball bleibt?
Sebastian Pflügler: Da eignet sich Medieneinsatz super – ein Video oder Musikstück zum Beispiel. Genauso gut funktionieren Publikumsfragen, Abstimmungsfragen oder Handheben. Auch rhetorische Fragen sind sinnvoll, weil das Gehirn im Geiste auf jede Frage antwortet und somit aktiv dabeibleibt. Es ist ein Trugschluss, dass ein guter Redner die Aufmerksamkeit des Publikums durchgehend auf einem Level hält. Ein guter Redner merkt, wenn er sie verliert und holt sie dann gekonnt zurück.
Redaktion: Was kann ich mit Körpersprache und der Stimme tun, um gut anzukommen?
Sebastian Pflügler: Die Stimmmodulation ist entscheidend. Das könnt Ihr üben, indem Ihr denselben Satz mit verschiedenen Emotionen sprecht. Einmal wütend, einmal überrascht oder auch gelangweilt. Ihr werdet merken, wie sich die Stimmung auf die Stimme überträgt. Wichtig ist, dass Ihr das, was Ihr mitteilen wollt, auch mit der angemessenen Stimme kommuniziert. Genauso ist es mit der Körpersprache auch. Es gibt einen Haufen unterkomplexer Regeln, was man auf keinen Fall tun sollte. Zum Beispiel die Arme verschränken. Es kommt aber immer auf den Kontext an. Viel wichtiger ist, dass die Körpersprache widerspruchfrei ist. Wenn Ihr eine freudige Botschaft überbringt, darf sich das ruhig in Eurer Körpersprache widerspiegeln. Ich empfehle Euch das möglichst authentisch zu halten und nichts einzustudieren, das wirkt gestellt. Grundsätzlich sind ein solider Stand und ein ausgewogener Blickkontakt wichtig.
Geheimtrick: Eine Büroklammer zwischen Daumen und Zeigefinger gibt Euch im wahrsten Sinne des Wortes Halt. Ein positiver Nebeneffekt: Die Hände bleiben automatisch im neutralen Bereich zwischen Bauchnabel und Gürtelschnalle. Also genau da, wo sie bei öffentlichen Auftritten hingehören.
Redaktion: Worst-Case-Szenario: Ich habe einen Blackout, verliere meinen Faden und weiß nicht mehr weiter. Wie fange ich das auf?
Sebastian Pflügler: Es kann befreiend sein, dass in dem Moment offen anzusprechen. Meistens will das Publikum helfen und gibt Hinweise: „Sie waren gerade bei dem Thema XY“. Alternativ könnt Ihr auch einfach mal zusammenfassen, was bisher erarbeitet wurde und findet dabei den Anschluss wieder. Ihr könnt auch eine Frage stellen oder in eine kurze Gruppenarbeit überleiten. Und manchmal ist es auch einfach an der Zeit eine kurze Pause zu machen und durchzuatmen. Nicht vergessen: Das Publikum kennt den Vortrag nicht: Wenn Ihr etwas auslasst, wird es den wenigsten auffallen.
Redaktion: Was würden Sie empfehlen, wenn ich tiefer in die Materie Rhetorik einsteigen möchte?
Sebastian Pflügler: Wie Cicero so schön sagte: Zum Dichter wird man geboren, zum Redner wird man gemacht. Reden lernt man nur durch Reden. Reden lässt sich nicht erdenken. Fakt ist: Ihr müsst vor Leuten stehen, sei es im Debattierclub oder bei einem Familienfest. Nutzt jede Chance für Wortbeiträge in der Arbeit. Wer nicht so viel investieren kann, kann Kurse an der VHS, der Universität oder im Jobcenter wahrnehmen. Ihr könnt auch Euren Chef um eine Fortbildung, ein Seminar oder Einzelcoaching bitten, wenn Ihr öffentlich in oder für die Firma auftreten sollt.
Redaktion: Herr Pflügler, vielen Dank für die spannenden Einblicke!
Wenn Euch die Tipps inspiriert haben und Ihr tiefer in die Materie der Rhetorik einsteigen wollt, erhaltet Ihr hier weiterführende Impulse. Sebastian Pflügler hat darüber hinaus besonders für diese heiklen Gesprächssituationen ein einfaches Tool entwickelt, das Euch ganzheitlich dazu befähigt das zu sagen, was Euch wirklich bewegt. Mehr zur Strategie des New Era-Kommunikationsexperten hier.
Titelbild: © Sebastian Pflügler