“GeiSt”: Neuartiges Versorgungskonzept erhält den Pflegeinnovationspreis 2018

Pflegeinnovationspreis
Feierliche Preisübergabe an das Projekt “GeiSt” (von links): Johannes Waldhoff, Udo Ellermeier, Frauke Schönberg, Ulrike Overkamp, Melanie Hanemann, Stefan Weller, Kreisdirektor Klaus Schumacher, Steinheims Bürgermeister Carsten Torke und Karola Schmidt.

Längst nicht jede gute Idee schafft es vom Papier in die Praxis. Im westfälischen Steinheim aber ist genau das gelungen: Dort ist ein Versorgungskonzept für alte Menschen entstanden, das seinen Ursprung in der Wissenschaft hat. Basierend auf neuen Ansätzen und Erfahrungswerten aus bereits bestehenden Quartiersprojekten hat das Alters-Institut – ein Zentrum zur Versorgungsforschung – ein Modellprojekt entwickelt, das in Steinheim getestet wurde und mittlerweile unter den Namen „GeiSt“ einen festen Platz im Stadtleben gefunden hat.

“GeiSt steht für ‚Gemeinsam in Steinheim”, erklärt Projektleiterin Ulrike Overkamp.

Herzstück des Projekts sei das Helene-Schweizer-Zentrum. Ein rot-weißer Gebäudekomplex, der sich in drei Bereiche gliedert: ein kleines Altenheim für 48 Bewohner, 28 barrierefreie Wohnungen für ältere und pflegebedürftige Menschen und ein Nachbarschaftszentrum für mehr Austausch zwischen Jung und Alt. Bis hierhin klingt das wie ein beliebiges Quartiersprojekt in Deutschland. Doch was das GeiSt-Projekt so besonders macht, ist ein neuartiges Netzwerkmanagement, das alle Akteure dauerhaft zusammenbringt.

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Mit den Enkeln skypen, E-Mails schreiben, Rezepte googeln: In Qualifizierungskursen bringen Ehrenamtliche den Bewohnern bei, wie sie das Internet für sich nutzen können. Das bringt Jung und Alt zusammen und setzt neue Impulse im Alltag.

Nach der Testphase ist das Modellprojekt 2017 in die Hände der Johannesstiftung übergegangen, die auf eine enge Zusammenarbeit mit der Kommune, der Stadt, den Nachbarn, Vereinen und Bürgerstiftungen setzt. „Wir bündeln hier wirklich alle Kräfte und ziehen an einem Strang“, sagt Overkamp. In welche Richtung diese Kraft wirken soll, entscheiden die Bewohner maßgeblich mit. Gemeinsam mit Sozialarbeiterin Karola Schmidt und engagierten Bürgern entwickeln sie aus ihren Wünschen konkrete Ideen und Angebote. Wie gut das funktioniert, zeigt ein Blick auf das Programm. Über 50 Angebote stehen jeden Monat zur Verfügung. Sie reichen von Kochen und handwerklichen Kursen über Bewegungs- und Sportstunden bis hin zu Beratungs- und Qualifizierungsangeboten. Das Internet etwa gehört in Steinheim dazu. Alle Bewohner haben einen WLAN-Anschluss – und ehrenamtliche Helfer erklären ihnen, wie sie mit ihren Enkeln skypen, E-Mails schreiben oder nach Informationen suchen können. Ohne die Hilfe von Ehrenamtlichen wäre das nicht möglich. In Steinheim sind sie in Interessengruppen organisiert, die sich regelmäßig treffen.

„Es gibt zum Beispiel eine Gruppe für Internet und Social Media, eine für Mobilität, Betreuung sowie Jung und Alt. Diese Themengruppen sind offen für alle Interessierten und jeder kann seine Ideen, Talente und Fähigkeiten einbringen“, Ulrike Overkamp.

Das ist aber nicht alles: Für die älteren Stadtbewohner gibt es ein Netzwerk kleiner Alltagshilfen, auf das sie bei Bedarf zurückgreifen können: Hilfe bei Einkäufen oder Arztbesuchen, Besorgungen in der Apotheke, Begleitung bei Behördengängen oder auch kleine Handgriffe in der Wohnung, zum Beispiel. „Jeder kann geben, was er kann, und nehmen, was er braucht“, bringt es Karola Schmidt auf den Punkt. Sie ist froh über Steinheims starke Zivilgesellschaft und die vielen Menschen, die sich einbringen. Menschen, wie die Studentin Nina Lücking, die jede freie Minute mit den Senioren übt, wie man das Internet nutzt. Menschen wie Hans Krautheimer, der mit Schülern und Senioren Kunstworkshops auf die Beine stellt. Oder Menschen wie die Gruppe Flüchtlinge, die zusammen mit den Senioren vier Hochbeete anlegte und mit Gemüse bepflanzte.

Mindestens genauso wichtig und eine weitere Besonderheit: In Steinheim kümmert man sich nicht nur um die Alten und Pflegebedürftigen, sondern auch um ihre Angehörigen. So gibt es einen Notfallplan für akute Krisensituationen – etwa, wenn jemand über Nacht zum Pflegefall wird. Dafür gibt es eine zentrale Nummer. Wer sie wählt, kann sich auf Hilfe zu allen Fragen verlassen und mit Unterstützung von allen Seiten rechnen. Daneben gibt es Schulungen für pflegende Angehörige und sowohl ambulante Pflegedienste als auch Ehrenamtliche, die stunden- oder tageweise die Betreuung übernehmen können.

„Wir bieten genau diese kleinen, unkomplizierten Entlastungen, die für pflegende Angehörige so wichtig sind. Wenn jemand mal eine Stunde oder einen Tag für sich braucht, kann er zu uns kommen“, Ulrike Overkamp.

Allerdings hat sie beobachtet, dass viele Menschen zögern, diese Hilfe anzunehmen. „Viele opfern sich völlig auf und tun sich schwer damit, Verantwortung abzugeben“, sagt sie. Deshalb weiß sie auch schon, was mit den 10.000 Euro Preisgeld geschehen soll: „Wir wollen die Menschen und unsere Angebote zusammenbringen.“ Das gilt ebenso für die vielen alten Bewohner, die das Projekt bisher noch nicht nutzen. „Wir wollen jeden Einzelnen besuchen und gezielt auf unsere Hilfsangebote aufmerksam machen“, sagt Overkamp. Das ist auch eine Investition in die Zukunft: Schon im Jahr 2020 werden in Steinheim etwa 1.000 Bürger älter als 80 Jahre alt sein.

Titelbild: ©Heinz Wilfert
Beitragsbild: ©gesundheit aktuell
Redaktion Maklermanagement Kranken
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