Ein Beitrag aus der Januar-Ausgabe des Gesundheitsmagazins der UKV – Union Krankenversicherung:
Normalerweise prangt auf Plakaten Werbung für Mode, Handys oder Konzerte. Nicht so in Bonn: Das dortige Gesundheitsamt hat die Stadt mit Porträts von Pflegekräften plakatiert, um auf den Wert dieses Berufes für unsere Gesellschaft aufmerksam zu machen. Iris Hasenknopf, Pflegedienstleiterin im Neurologischen Rehabilitationszentrum Godeshöhe, ist eines der Gesichter der Kampagne. Wir haben mit ihr gesprochen.
Wie fühlt es sich an, sich selbst auf einem Plakat in der Stadt zu sehen?
Hasenknopf: Gerade am Anfang ist es irritierend, das eigene Gesicht als großes Plakat in der Öffentlichkeit zu sehen. Aber wenn man sich das Ziel der Kampagne vor Augen hält, erfüllt es mich mit Stolz, Teil dieser Aktion zu sein.
Die Kampagne soll Wertschätzung für Pflegeberufe ausdrücken und kombiniert dazu ausdrucksstarke Bilder mit starken Statements. Eine überfällige Geste?
Wir erfahren bei der Arbeit jeden Tag Wertschätzung im Umgang mit den Patienten und ihren Angehörigen. Rehabilitation ist ein langwieriger und für alle sehr kräftezehrender Prozess, der viel Vertrauen und Herzblut erfordert. Oft sind es die kleinen Gesten und Blicke der Patienten – manche können ja gar nicht sprechen – die uns größte Wertschätzung und Dankbarkeit vermitteln. Anders sieht es mit der öffentlichen Wahrnehmung aus: Ich denke, die Plakate und Statements haben viele Betrachter zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht, dass Pflege eine einzigartige und ganz besondere Dienstleistung am Menschen ist.
Trotzdem wird es immer schwieriger, Nachwuchs für diesen Beruf zu gewinnen.
Die Wertschätzung, die wir täglich von den uns anvertrauten Menschen erhalten, spielt sich im Arbeitsalltag ab. Wenn junge Menschen damit keine Berührungspunkte haben, achten sie bei der Berufswahl mehr auf Rahmenbedingungen wie Gehalt, Arbeitszeiten, Schicht- und Nachtdienst sowie eine hohe physische und psychische Belastung. Reduziert man den Pflegeberuf auf diese Perspektive, leidet seine Attraktivität. Ich bin dennoch überzeugt: Wer Teamgeist, professionelle Krankenpflege und den „Dienst am Menschen“ mag, kann in diesem Beruf glücklich werden.
Die Leiterin des Bonner Gesundheitsamtes, Dr. Inge Heyer, sagte zu den Plakaten: „Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege sind den Partnern der Kampagne eine Herzensangelegenheit.“ Was müsste sich Ihrer Ansicht nach an den Arbeitsbedingungen verbessern?
Pflegekräfte erbringen in ihrem Arbeitsalltag eine enorme Leistung. Eine Entlastung ist nötig, aber auch möglich. Das haben wir in unserem Rehabilitationszentrum zum Beispiel durch eine Optimierung der Arbeitsabläufe und -prozesse erreicht. Das macht unseren Beruf auch attraktiver. Es sollte sich aber auch die Anerkennung des Berufes in der Öffentlichkeit ändern. Jeder weiß, dass es in Deutschland einen Pflegenotstand gibt. Politisch sehe ich in dieser Hinsicht keinerlei Unterstützung, obwohl unsere Gesellschaft immer älter wird. Doch trotz des demografischen Wandels steuern wir sehenden Auges in eine schlechtere qualitative Versorgung der Patienten. Mitarbeiter, die Patienten bestmöglich versorgen wollen, erreichen dieses Ziel jetzt schon kaum. Deshalb werden sich auch weiterhin erfahrene, gut ausgebildete Kräfte nach anderen Branchen umschauen. Auch die Tatsache, dass eine Krankenpflegekraft in einem Drei-Schichtsystem mit einer hohen Verantwortung nicht entsprechend bezahlt wird, ist ein Problem.
Das sind die negativen Seiten. Was lieben Sie an Ihrem Beruf?
Auf meinem Plakat steht: „Schrittmacherin ist jemand, der Bewegung erkennt, wo die eigene Wahrnehmung nur Stillstand sieht.“ Genau das ist der Punkt. Ich versuche bei jedem Patienten das Potenzial zu fördern, seine unterschiedlichen und individuellen Ziele zu erreichen. Bei einigen Patienten erkennt man die Resignation oder das Gefühl aufzugeben. Hier steuern wir gegen, indem wir Impulse für notwendige Bewegung geben, wo zeitweilig gefühlter Stillstand ist.
Die Kampagne soll „Menschen für die Vielfalt des Pflegeberufes“ begeistern. Worin besteht für Sie persönlich diese Vielfalt?
Jeder Mensch ist einzigartig. Aufgrund seines Werdegangs, seiner Lebenserfahrung, seines Alters, der Herkunft und des Charakters. Jeden individuell in seiner Vielfalt zu erkennen und ihn durch eine optimale Rehabilitation wieder am sozialen Leben teilnehmen zu lassen, ist eine große Herausforderung. Dieses Ziel können wir auf unterschiedlichste Weise angehen, da es zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten gibt. Der Pflegeberuf ist sehr abwechslungsreich und setzt voraus, dass man sich mit den entsprechenden Neuentwicklungen in den Therapiemöglichkeiten auseinandersetzt und immer wieder neu lernt, wie man dem Patienten zu einem besseren Leben verhelfen kann. Pflegen bedeutet ja nicht nur, den Ist-Zustand zu konservieren, sondern einen besseren Soll-Zustand zu fördern.
Wenn Sie an Ihre eigene Zukunft denken: Wie würden Sie gerne gepflegt werden, wenn es nötig wird?
Ich wünsche mir, dass Pflege einen höheren Stellenwert in der gesellschaftlichen Wahrnehmung bekommt. Viele Pflegekräfte erbringen mit ihrem enormen Einsatz und persönlicher Zuwendung bei der Betreuung der Patienten einen deutlich größeren gesellschaftlichen Mehrwert als manch andere Berufssparte. Ist es eines Tages nötig, würde ich mir wünschen, dass mich jemand pflegt, der den Beruf gerne und aus Überzeugung ausübt. Und dass diese Pflegekraft in einem Arbeitsumfeld mit zufriedenstellenden Rahmenbedingungen tätig ist. Es muss politisch ein Signal gesetzt werden, dass wieder mehr Menschen für die Arbeit in der Pflege „brennen“ und dabei bleiben. Es ist ein großartiger Beruf, der leider immer wieder sehr negativ dargestellt wird. Man sieht selten Berichte über das, was Pflege täglich leistet. Pflege bedeutet auch, dass es Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen gibt. Die Pflegekampagne ist für uns wichtig, weil es ein Anfang ist, dass sich Pflege öffentlich darstellt und auch auf sich aufmerksam macht.
Die komplette Januar-Ausgabe von “gesundheit aktuell” könnt ihr hier downloaden.
Titelbild: ©Africa Studio