345. So viele Tage sind es natürlich nicht mehr bis Weihnachten, sondern so viele Jahre alt ist die Hamburger Feuerkasse (Hamburger Feuerkasse Versicherungs-AG), eine Schadenversicherung in Hamburg. Gegründet am 30. November 1676, was sie zum ältesten Versicherungsunternehmen der Welt macht.
Auch andere Versicherungsgesellschaften sind über 100 oder gar 200 Jahre alt und halten sich bis heute Dank vieler Produktinnovationen, Fachkompetenz und der Kundenzentrierung am Markt. Aber auch nicht zuletzt dank ihres technologischen Fortschritts.
Denn eben der schreitet auch 2022 mit hohem Tempo voraus und bringt diese Tech-Trends, die laut McKinsey enorme Wirkungen haben.
Angewandte KI
Auch wenn das Thema der KI keine neue Erfindung ist, so wird sie den Vertrieb, das Underwriting, die Schadenregulierung und den Service 2022 auch weiterhin verändern. Denn sobald die Kernprozesse KI-fähig werden, kann ein “Human-in-the-Loop”-Modell entstehen. Also ein Mensch, der ein KI-System trainiert, testet und optimiert, damit es zuverlässigere Ergebnisse erzeugt. Der Vorteil: Die Produktivität steigt und ermöglicht so qualitativ hochwertigere Berührungspunkte mit den Kunden.
Zum Beispiel könnte eine KI-Anwendung klassifizieren, welche Arten von Nachrichten eingehen. Erkennen, ob es sich um eine Anfrage, eine Schadenmeldung oder eine Beschwerde handelt, um anschließend die jeweiligen Meldungen an die richtige Stelle weiterzuleiten und so Störungen der Kundenzufriedenheit zu erkennen (Vorausanalyse).
Kriminalität vorbeugen:
Mit einer KI-Textanalyse ist es zudem möglich, Anfragen automatisch zu bearbeiten und zu beantworten. Ebenfalls eine bedeutsame Funktion: Bilderkennung. Mithilfe der zugesandten Bilder kann die KI einfach zu lösende Schadenfälle automatisch bearbeiten. Weiterhin werden Algorithmen des Machine Learnings dazu genutzt, um Hinweise auf kriminelles Handeln zu finden.
So sind Betrugsversuche häufig an Auffälligkeiten in den Zahlen erkennbar. Auch mit Photoshop verfremdete Schäden lassen sich mit KI vergleichsweise leicht aufspüren. Die Versicherungen entdecken durch die Sammlung dieser Daten neue Strategien von Betrügern und können Maßnahmen dagegen einleiten. Digitale Versicherungsberater („Robo-Advisor“) oder Chatbots für den Kundendialog werden daher noch relevanter.
Drehpunkt Cloud
Innerhalb der Entwicklungen hin zum Internet der Dienste gewinnen neue Technologien wie Software-as-a-Service, Infrastructure-as-a-Service und Platform-as-a-Service unter dem Stichwort „Cloud Computing“ an Bedeutung.
Ein weiterer Tech-Trend: Die Nutzung von Cloudsystemen. Richtig eingerichtet und durch Fachspezialisten betreut, kann die Cloud zum Beispiel mehrere zehn Millionen Schadensdatenpunkte, Tarifanfragen oder Kommentare vollständig verstehen, kategorisieren und nutzen.
Da sich die Ökosysteme weltweit weiter entwickeln und die Nutzernachfrage stetig steigt, sind cloud-native Versicherer hier durchaus im Vorteil. Als Verbindungsstelle zwischen Kunden, Vertriebsunternehmen, Insurtechs, Gesundheitsdienstleistern, Trägern und Rückversicherern.
IoT-Konnektivität
Die breitere Einführung des Internet of things (IoT) wird auf jeden Fall Tech-Trend 2022. Das IoT bezieht sich auf physische Objekte – Fahrzeuge, Haushaltsgeräte, Wearables und vieles mehr –, die mit dem Internet verbunden sind und somit Daten online übertragen können. Genau genommen können alle Geräte, die an ein Netz gebunden sind, als IoT Device bezeichnet werden. Dies kann zu einer Umgestaltung der Produkte in der Lebens-, Kranken-, Sach- und Gewerbeversicherung führen.
Denn die zunehmende Häufigkeit und Spezifität von Daten, die über IoT-Geräte ausgetauscht werden, hilft den Kunden, ihre Bedürfnisse genauer einzuschätzen. Den Versicherern hilft es, das Risiko besser zu verstehen. Und das sowohl zum Zeitpunkt des Kaufs als auch auf längere Sicht. Die zunehmende Verbreitung von 5G ermöglicht den Austausch dieser Daten.
Tech-Trends IoT in der Praxis:
Ein Beispiel für IoT-Konnektivitäten sind Telematik-Boxen in Fahrzeugen, welche der Versicherung Fahrdaten wie Tempo oder schnelles Abbremsen oder Beschleunigen melden. Der Vorteil: Die Klärung der Schuldfrage kann verkürzt werden. Ebenfalls präventiv wirken kann IoT bei Wasserschäden, wenn Sensoren Wetterdaten analysieren oder den ansteigenden Wasserspiegel melden.
Die Nutzung von öffentlich verfügbaren und nicht manipulierbaren Wetterdaten kann die Risikokalkulation und den Schadensprozess so weit automatisieren, dass eine Hochzeitsgesellschaft ihr Fest genauso gegen Regen versichern kann wie ein Landwirt seine Felder gegen Dürre.
Das israelische Start-up Parametrix bietet vollautomatisierte Versicherungen für den Cloud-Service von Unternehmen an. Fällt die IT-Infrastruktur aus, kann der Versicherer dank Echtzeit-Monitoring unverzüglich die für die Downtime berechnete Schadenssumme auszahlen.
So kann das IoT dafür sorgen, dass für bisher kaum versicherbare Risiken Policen angeboten werden können. Der präventive Einsatz von Infrarotkameras in Galvanik-Anlagen kann zum Beispiel die häufigen Brände so weit minimieren, dass sie für eine Versicherung tragbar werden.
Blockchain Cybersicherheit
Egal, ob die Daten der Sport-Smartwatch für die Krankenkassen oder die Telematik-Boxen im Auto für den Schadensfall. Kunden werden in Zukunft immer mehr sensible Daten mit Versicherern teilen können. Und durch die zunehmenden IoT-Geräte fallen auch mehr sensible Datensammlungen an.
Für den Versicherer heißt es, Risiken möglichst effektiv zu verwalten und komplexe Kundendaten zu schützen. Der nächste Schritt des Versicherers zu einem “Predict and Prevent”-Modell, bei dem Daten häufiger zwischen den Parteien ausgetauscht werden und die Versicherer eine aktivere Rolle bei der Schadenverhütung spielen.
Wie das gelingen kann? Beispielsweise mit Hilfe der Blockchain. So können Kundendaten auf sichere und konsistente Weise effektiver verwaltet und aktuelle Probleme wie Identitätsmanagement und -prüfung vereinfacht werden. Denn in einer Blockchain werden die bei einer Transaktion erzeugten Daten – dem ‚Block‘ der Blockchain – und damit die Informationen zu den Versicherten, nicht nur wie in einem digitalen Logbuch hinterlegt, sondern auch gleichzeitig kryptografisch verschlüsselt. Einsehbar sind sie nur mit der Genehmigung des Datenbesitzers und dem entsprechenden Zugangsschlüssel. Zero-Trust-Sicherheit und ähnliche Ansätze werden den Versicherern helfen, widerstandsfähige Netzwerke zu schaffen, die vor Cyberangriffen schützen.
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